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Eckpunktepapier "Fragen der digitalen Welt"

Das Internet durchdringt heute alle Lebensbereiche. Das Internet steht für das globale Netz, in dem Texte, bewegte und unbewegte Bilder sowie Töne als digitale Datenpakete in Echtzeit von jedem Ort weltweit versendet und empfangen werden können. Das Potenzial des Internets liegt vor allem in der Weiterentwicklung hochwertiger und kreativer Inhalte. Das Internet dient nicht nur der Kommunikation und Informationsgewinnung, sondern wird zunehmend von Unternehmen als Absatzkanal und als Produktionsfaktor für neue virtuelle Dienste sowie für den zwischenbetrieblichen (Daten-) Verbund genutzt. Auch der Staat wird immer stärker digital präsent sein (E-Government). Als weltumspannendes dezentrales Netzwerk ist es einzelstaatlich weder herstellbar, abgrenzbar oder gar steuerbar.

Neben dem enormen Entwicklungspotenzial können sich aber auch neue Gefährdungen ergeben, wenn die technischen Möglichkeiten des Internets für illegale Inhalte sowie betriebsgefährdend missbraucht werden. Die Digitalisierung und der ubiquitäre, weltweite Datenfluss werfen ferner neue Fragen auf, insbesondere für die nationalen Rechtssysteme, und erfordern ein Überdenken und eine Weiterentwicklung der bisher weitgehend auf die analoge Welt zugeschnittenen Regeln.

Auf allen politischen Ebenen werden Rahmenbedingungen für das Internet und die digitale Gesellschaft diskutiert – seitens der EU in der Digitalen Agenda, vom deutschen Innenminister in Form von Thesen zu den Grundlagen einer gemeinsamen Netzpolitik der Zukunft, in der Berliner Rede der Justizministerin zum Urheberrecht sowie im Rahmen der Enquête- Kommission des Deutschen Bundestages.

Die Besonderheiten des Netzes erfordern es, Grundsätze zu definieren, mit denen Freiheit und Verantwortung im Netz für alle Beteiligten in Einklang gebracht bzw. gehalten werden können. Hierbei sind nicht zuletzt Rechtsfragen zu lösen. Ohne die präzise und rechtssichere Ausgestaltung des Internets nimmt das Vertrauen in Staat und Gesellschaft Schaden, und die Unternehmen sind nicht in der Lage, die Potenziale der digitalen Welt bestmöglich zu nutzen.

In seinen Eckpunkten formuliert der DIHK zentrale Aussagen zu diesen Themen.

I. Das Netz

1. Freier Zugang zum Netz

Die Potenziale des Internets können nur ausgeschöpft werden, wenn sowohl der Zugang der Nutzer als auch der Zugang der Diensteanbieter zum Netz nicht beschränkt werden. Überregulierungen sind genauso zu vermeiden wie das Entstehen neuer Monopole.


2. Infrastrukturverantwortung des Staates/Daseinsvorsorge

Ebenso wie die Versorgung mit Strom, Wasser und Gas und ein umfassendes Straßen- und Schienennetz ist die flächendeckende Bereitstellung der erforderlichen Infrastruktur (u. a. Breitbandanschlüsse) nicht nur in Ballungsgebieten, sondern auch im ländlichen Raum Voraussetzung für die Entwicklung und Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Sie muss in gleichbleibend hoher Qualität und zu fairen Preisen erfolgen. Zum Auftrag des Staates gehört auch, diese Infrastruktur so auszugestalten, dass sie nicht zum Engpassfaktor bei der Herstellung gleicher Lebensverhältnisse wird.


3. Breitband schrittweise ausbauen

Bandbreite ist ein kritischer Inputfaktor für betriebliche Prozesse und ein wichtiger Standortfaktor auch für die Unternehmen im ländlichen Raum. Der Anschluss an das globale Netz ist eine Voraussetzung zur Bewahrung bzw. zur Verbesserung der regionalen Wettbewerbsfähigkeit. Deshalb gilt es, zunächst schnellstmöglich eine weitestgehend flächendeckende leistungsfähige Grundversorgung zur Verfügung zu stellen. Als weiterer Schritt muss sich zur Verhinderung einer digitalen Kluft zwischen Stadt und Land nahtlos die Erhöhung der Bandbreiten auch im ländlichen Raum anschließen. Hochgeschwindigkeitsnetze können auf unterschiedlichen Technologien basieren. Die Herausforderung liegt in der kontinuierlichen Angleichung der Breitbandversorgung im ländlichen Raum an das Niveau der Ballungsgebiete.

Das bedeutet: Bereits heute ist mit dem Aufbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen zu beginnen, ohne dabei die breitbandige Grundversorgung in der Fläche zu vernachlässigen. Dabei müssen auch neue Ansätze möglich sein (zum Beispiel Open-Access-Lösungen, Kooperation der Netzanbieter). Voraussetzung dafür ist die Einigung auf technische Standards.


4. Verantwortung für Investitionen

Ziel ist es, den flächendeckenden Aufbau einer modernen und bedarfsgerechten Breitband- Infrastruktur voranzutreiben. Der Staat bzw. die Kommunen müssen hierfür das politisch erwünschte Angebot definieren, einen entsprechenden Rahmen setzen und eventuell gemeinsam mit Partnern nach Umsetzungs- und Finanzierungsmöglichkeiten suchen. Die politische Verantwortung der staatlichen Akteure / Kommunen bedeutet dabei nur ausnahmsweise die Erbringung der Leistung durch die öffentliche Hand selbst. Den skizzierten Anforderungen gerecht werdende wettbewerbliche Lösungen dürfen nicht vom Markt verdrängt werden. Vor allem im ländlichen Raum können daher gezielte Fördermaßnahmen für Unternehmen angebracht sein. Marktnahe Finanzierung, wie Bürgschaften oder günstige Kredite, ist vorzuziehen.


II. Die Ordnung des Internet

1. Inhalte müssen gleich behandelt werden

Der grundgesetzlich verbürgte freie Informationsfluss umfasst nicht nur den freien Zugang der Nutzer zum Netz und seinen Inhalten, sondern auch die Verpflichtung der Netzbetreiber, Neutralität bezüglich der beförderten Inhalte zu wahren und alle Anwender bzw. Nutzer gleichberechtigt zu behandeln. Je stringenter dieser Grundsatz eingehalten wird, desto mehr kann sich die staatliche Regulierung im Internet auf eine begleitende Beobachtung beschränken. Eine Zensur im Internet darf nicht stattfinden.

Kreativität und neue Geschäftsmodelle im Netz dürfen nicht behindert werden.


2. Umgang mit illegalen Inhalten und illegaler Nutzung

Soweit die Nutzung von Inhalten des Internets im jeweiligen Staat illegal ist, hat deren Löschung Vorrang gegenüber einer Sperrung durch den Internetzugangsanbieter.

Eine „Two“ oder „Three Strikes“-Regelung (d. h. nach zwei- bzw. dreimaliger Verwarnung wegen illegalen Verhaltens erfolgt eine Sperrung des Internetzugangs) – wie sie in anderen europäischen Ländern zur Bekämpfung dort illegaler Downloads eingesetzt wird – halten wir nicht für zielführend. Der Zugang zum Internet muss aufgrund seiner immer weiter zunehmenden Bedeutung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erhalten bleiben.


3. Tragfähige europäische und internationale Lösungen finden

Das Internet als weltumspannendes Kommunikationsnetzwerk erfordert Rahmenbedingungen, die auch europäisch und international tragfähig sind. Es gilt daher darauf zu achten, nationale Regelungen ohne Nachteile für den Wirtschaftsstandort Deutschland in dieses Gefüge einzubinden. 


4. Netz- und Datensicherheit gewährleisten

Informationen gewinnen an Bedeutung und damit an wirtschaftlichem Wert. Das Netz sieht sich einer wachsenden Zahl von Angriffen auf seine Sicherheit ausgesetzt. Dem muss durch höhere technische Sicherheitseinrichtungen, entsprechende Organisationsstrukturen und eine stärkere Sensibilisierung und Qualifizierung der Beschäftigten in den Unternehmen begegnet werden.


III. Rechtsfragen der Digitalen Welt

1. Grundrechte gelten auch im Internet

Grundrechte regeln primär das Verhältnis vom Bürger zum Staat. In Bezug auf das Internet werden in dieses Verhältnis Unternehmen wie zum Beispiel Internetprovider zwischengeschaltet.

Die rechtliche Ausgestaltung des Netzes berührt die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 GG), die Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 GG), das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG), das Eigentumsrecht (Art. 14 GG), um nur einige zu benennen. Regelungen von staatlicher Seite haben daher Gewähr dafür zu bieten, dass diese Rechte der Unternehmen und des Einzelnen bestmöglich geschützt werden. Auch sozial Schwache müssen am Internet und an der wirtschaftlichen Kommunikation partizipieren können. Eine einseitige Privilegierung bestimmter Gruppen im Internet erscheint verfassungsrechtlich bedenklich.


2. Geistiges Eigentum / Urheberrecht schützen

Urheber, Werkmittler und Wirtschaft haben ein Recht darauf, dass ihr geistiges Eigentum gleichermaßen innerhalb als auch außerhalb des Internets respektiert und mit geeigneten Maßnahmen effizient durchgesetzt und geschützt wird. Dies ist unabdingbar für die Absicherung von gegenwärtigen und zukünftigen Investitionen und deren Verwertungsmöglichkeiten.

Das Urheberrecht muss auf Schutzlücken überprüft werden, um diese zu schließen. Ziel muss es sein, die kulturelle Vielfalt und die Weiterentwicklung unserer zunehmend von Wissensvorsprüngen abhängigen Wirtschaft und Gesellschaft zu fördern. Ein Leistungsschutzrecht kann dabei eine Rolle spielen. Eine eventuelle Einführung muss zu einem fairen Interessensausgleich zwischen Schutzrechtsinhabern, der Öffentlichkeit und der Wirtschaft führen. Gesetzlich vorgeschriebene Abgaben sind abzulehnen. Statt dessen könnte in diesem Fall eine Vergütung auf Grundlage freiwilliger Lizenzmodelle erfolgen.

Die Schranken des Urheberrechts – wie zum Beispiel das Zitatrecht – dürfen nicht angetastet werden. 


3. Zukunftsfähige Urhebervergütungen entwickeln

Die Entwicklung des Internets und dessen zunehmende Bedeutung für die digitale Welt stellt eine Herausforderung für alle Beteiligten dar. Gerade im Bereich des Urheberrechts brauchen wir effiziente und klare Regelungen, die die legale Nutzung von Inhalten auf möglichst einfache Art und Weise erlauben und den Urhebern, Werkmittlern und der Wirtschaft die Vergütung für ihre Tätigkeit gewährleisten. Dies ist für die Akzeptanz in der Breite der Bevölkerung und der Wirtschaft unabdingbar.


4. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum

Vertrauen in Staat und Gesellschaft erfordern akzeptierte und effiziente Rechtsdurchsetzungsmechanismen auch und gerade im digitalen Umfeld. Im Bereich des geistigen Eigentums gibt es hier erhebliche Defizite. Insbesondere Urheber- und Markenrechte werden missachtet. Unterstützt werden daher die im ACTA-Abkommen international vorgeschlagenen zivilrechtlichen Ansprüche. Auch die so genannte Cyberkriminalität erfordert ein internationales Vorgehen.


5. Diensteanbieter und Provider tragen Verantwortung

Wer für Inhalte im Netz Verantwortung trägt, muss für die Nutzer erkennbar und identifizierbar sein. Die Anonymität des Mediums Internet darf nicht zum Missbrauch einladen. Wer im Netz Angebote unterbreitet und rechtsgeschäftlich handelt, muss – wie in der realen Welt – ohne größere Nachforschungen feststellbar sein. Hier sind auch insbes. die „Content provider“ oder Verkaufsplattformanbieter in der Pflicht, zum Beispiel auf korrekte Angaben ihrer Nutzer oder das Vorliegen eines Impressums Sorge zu tragen.


6. Daten- und Identitätsschutz im Netz gewährleisten

Der Datenschutz ist durch die Globalisierung der Datenverarbeitung gekennzeichnet. Kein Betroffener kann genau verfolgen, wer seine Daten wo verarbeitet. Zudem gilt: Das Internet vergisst nicht. Sind einmal persönliche Daten in das Netz gestellt, so hat der Einzelne keinen Einfluss mehr darauf, wer diese Daten, wie verwendet. Daher muss die Transparenz auf Seiten der Datenverarbeitungsstellen verstärkt werden.

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sollte in der EU wie bereits in Deutschland anerkannt werden. Um ihm gerecht zu werden, muss der Selbstdatenschutz gestärkt werden. Hierzu gehört eine höhere Transparenz der Datenverarbeitung, die durch die Stärkung der Informationspflichten, aber auch durch einen technisch basierten Auskunftsanspruch hergestellt werden kann. Zudem müssen technikunterstützte Verfahren entwickelt werden, die von vornherein die Datenerhebung beschränken. Daneben muss es die Möglichkeit des geregelten Vergessens geben, d. h. die automatische Löschung von Daten, die bereits bei Dateneinstellung ins Netz als Merkmal angegeben werden muss. Ebenfalls ist ein Identitätsschutz notwendig: Auch jenseits markenrechtlicher Schutzansprüche muss die Identität von 6 Personen und Unternehmen (Firmenname, Rufausbeutung, „identity theft“ etc.) bestmöglich geschützt werden. Dies betrifft auch Zahlungsvorgänge über das Netz.


7. Verbraucherrechte im Internet angemessen regeln

In der Europäischen Union ist der Online-Handel mit einem großen Risiko verbunden, da in jedem der 27 Mitgliedstaaten verschiedene Verbraucherrechte gelten. Eine europaweite Vereinheitlichung bzw. Vollharmonisierung des Verbrauchervertragsrechts ist derzeit nicht mehrheitsfähig. Die Alternativlösung („blue button“), eine „28. Rechtsordnung“, also gesetzliche Regelungen der EU, die der Verkäufer einer Ware oder Dienstleister und der Verbraucher bei einem grenzüberschreitenden Rechtsgeschäft frei vereinbaren können, müsste für Verbraucher und Unternehmen akzeptable Regeln vorsehen. Sie müssen zudem im Sinne der Privatautonomie frei von den Parteien vereinbar sein. Die schutzwürdigen Belange von Verbrauchern und Unternehmen sind dabei gleichermaßen zu wahren.


8. Vertragsfreiheit wahren

Das Ziel, den grenzüberschreitenden Handel zu fördern, darf keinesfalls über das Prinzip der Vertrags- und damit der Abschlussfreiheit gestellt werden. Unternehmen müssen weiterhin frei entscheiden können, ob sie über die Grenzen hinweg zu welchen Konditionen liefern möchten. Einen Zwang zum Vertragsabschluss lehnen wir ab.

Der freie Zugang privater und geschäftlicher Nutzer zur technischen Infrastruktur, zu Diensten und Inhalten darf weder durch eine staatliche noch durch eine private Instanz beeinträchtigt werden. Der Nutzer soll auch zukünftig durch die Höhe seiner Entgelte und die freie Wahl des Anbieters über die technische Ausstattung seines Zugangs zum Internet und damit über die Qualität und die Geschwindigkeit der Datenübertragung entscheiden können. Die Beseitigung von Markteintrittshürden sorgt für Pluralismus und Wettbewerb.

Offenbach am Main, 21. Juni 2011

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