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Steuerdschungel 05/2011
Gerangel auf Steuerzahlers Rücken
Erstaunlich, aber wahr: Der Bundesfinanzhof (BFH) trifft Entscheidungen, die Grundsatzcharakter haben sollen für die Anwendung der deutschen Steuergesetze. Die Finanzverwaltung indessen ignoriert die BFH-Urteile und legt Gesetze nach eigenem Gutdünken aus. Leidtragender ist der Steuerzahler, der sich in Zweifelsfällen im Gerangel der Institutionen überraschen lassen muss. Jetzt hat der BFH das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angerufen, damit es klarstellt, wer im Steuerrecht das letzte Wort hat.
Im konkreten Fall, den die BFH-Richter dem BVerfG vorgelegt haben, geht es um die steuerliche Behandlung von Erbbauzinsen. Der Kläger hatte im Jahr 2004 Erbbauzinsen für ein Grundstück auf einmal im Voraus gezahlt. Den gesamten Betrag setzte er im Jahr der Zahlung als Werbungskosten von der Steuer ab – eine laut BFH rechtmäßige Vorgehensweise. Die Finanzverwaltung war anderer Meinung. Sie entschied, die Erbbauzinsen seien über die gesamte Dauer der Nutzung des Grundstücks (99 Jahre) verteilt abzuschreiben. Im Dezember 2004 schob der Gesetzgeber eine rückwirkend für alle Fälle seit Anfang 2004 anzuwendende Neuregelung gleichen Inhalts nach. Der BFH wiederum erklärte diese Rückwirkung für verfassungswidrig.
Kein gleiches Recht für alle?
Die Entscheidung des BVerfG wird mit Spannung erwartet. Sobald sie vorliegt, weiß der Steuerpflichtige endlich, ob er sich auf Entscheidungen des BFH berufen kann.
Alle finanzgerichtlichen Entscheidungen wirken grundsätzlich nur zwischen den Verfahrensbeteiligten und ihren Rechtsnachfolgern. Sie sind nicht allgemeinverbindlich. Nur wenn die Finanzverwaltung eine Entscheidung des BFH im Bundessteuerblatt veröffentlicht, müssen die Finanzämter sie auf gleichartige Fälle anwenden. Werden die BFH-Urteile dagegen nicht veröffentlicht (so geschehen im Streitfall), haben sie keine Wirkung für andere Steuerzahler.
Neben der Nichtveröffentlichung bedient sich die Finanzverwaltung auch so genannter Nichtanwendungserlasse. Ein Nichtanwendungserlass ist ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF), das im BStBl. wie eine allgemeine Verwaltungsanweisung veröffentlicht wird. Es verpfl ichtet die Finanzverwaltung, eine bestimmte, gleichzeitig im BStBl. veröffentlichte BFH-Entscheidung nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden.
Die Rechtssicherheit für den Bürger und Steuerzahler bleibt dabei auf der Strecke. Eigentlich ist der BFH für die Auslegung von Steuergesetzen zuständig und er soll allgemeine Grundsätze zur Anwendung der Steuergesetze ausarbeiten. Damit sorgt er für eine Einheitlichkeit der Rechtsanwendung. Gleichzeitig obliegt dem BFH auch die Weiterentwicklung des Rechts. Dieser Aufgabenkatalog macht deutlich, dass den Entscheidungen des BFH Bindungswirkung zukommt. Wäre dem nicht so, könnte der BFH nur für den Einzelfall entscheiden und nichts zur Fortbildung des Rechts beitragen.
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